Opulente Täler und Schluchten

Der Schweizer Bernhard »Cosey« Cosandey konnte sich mit seinem Werk »Auf der Suche nach Peter Pan« als einer der bedeutendsten, europäischen Comicautoren etablieren. Ursprünglich kam »Peter Pan« 1987 in zwei Bänden im Hamburger Verlagshaus Carlsen heraus. Nun liegt eine neu übersetzte Gesamtausgabe mit bislang unveröffentlichtem Zusatzmaterial sowie einer Cosey-Biographie vor. Diese opulente Neuauflage der viel zu lange vergriffenen Graphic Novel ist zu einem umfassenden Sammlerstück angeschwollen. Und es lohnt sich.
Comicautor

Jene »Suche« zwischen Täler und Schluchten umweht ein nostalgischer Hauch, im Grunde genommen ist die Geschichte schnell erzählt: Die Walliser Alpen, 1930. Ein abgelegener Ort in der Schweiz mit einer bezaubernden, wenn auch gefährlichen Landschaft. Die Bewohner wissen mit Naturgewalten umzugehen und wie in einer engen Gemeinschaft Allianzen zu bilden sind. In diese Abgeschiedenheit zieht es Melvin Woodworth, einen erfolgreicher Romanautor. Er sucht Inspirationen für ein neues Werk. Aber nicht nur – Woodworth ist auf der Suche nach Erinnerungen an seinen Halbbruder Dragan, einen erfolglosen Komponisten, der vor langer Zeit in dieser Bergwelt den Tod fand. Die Geschichte bietet zudem allerhand Gelegenheiten, um knorrige Personen und Charaktere einzuführen.

Da gibt es etwa den alten Falschmünzer, der permanent auf der Flucht vor der Polizei ist, einen unwirschen Kutscher und eine unbekannte Schönheit, die im Bergsee badet. Zudem klimpert ein geheimnisvoller Pianospieler nachts im Grand Hotel exakt jene Melodie, die Woodworth von seinem verstorbenen Bruder her kennt. Es ist eine Geschichte, voll gespickt mit inneren Reisen, Erinnerungen und Wünschen, und vielleicht steckt darin ebenso die Suche nach der grossen Liebe.

Das Album hat nun natürlich nichts oder nur gering mit James M. Barries Roman zu tun. Zwar werden einzelnen Kapiteln Zitate aus »Peter Pan« vorangestellt, was aber mehr oder weniger assoziativen Charakter trägt, wie sich ohnehin die einzelnen Episoden beinahe traumartig einander reihen. Coseys Erzählweise ist gewohnt ruhig und doch voller Tiefe und Intensität. Mag sein, dass der Plot ganz einer klassischen Abenteuergeschichte mit versteckten Geheimgängen folgt (die obligate Liebesgeschichte fehlt natürlich ebenso wenig).

Der Comicautor versteht es hierbei vorzüglich, ruhige Stimmungen in knisternde Spannungen umzuwandeln. Drohende Gefahren hört man geradezu anschwellen, etwas Musikalisches liegt dann plötzlich in der Luft. Es ist diese Stille unter der Eisdecke, die sich aus einem kaum merkbaren Knirschen crescendo-artig ins Unheimliche steigert und den Leser immer wieder verblüfft und fesselt. Von Michael Heisch

Cosey: »Auf der Suche nach Peter Pan«,
160 Seiten, gebunden, 26.- Euro, Cross Cult, ISBN 978-3-941248-33-5.